Rückenschmerzen im Alltag - Thema: Mitleid

Rückenschmerzen und Mitleid

Rückenschmerzen gehören zu den häufigsten Erkrankungen in Deutschland. Und jede:r Mensch, der das schon einmal erlebt hat, weiß, wie einschneidend das sein kann in den eigenen Alltag, in die Arbeit, in das Privatleben und besonders in die Gefühlswelt. Das trifft auch auf alle anderen Arten von Schmerzen zu. 

Oftmals vertraut man dem eigenen Körper nicht mehr. Fühlt sich nicht sicher in der eigenen Haut. Hat Angst vor Bewegung und Belastung. Ich glaube, nur wenn man das einmal selbst erlebt hat, kann man sich ein Bild davon machen, was viele Betroffene und deren Angehörigen durchmachen. 

Meiner Meinung nach ist es wichtig, sich dessen bewusst zu sein, dass Schmerz eben nicht nur einen selbst betrifft, sondern auch das Umfeld. Denn Schmerz ist ein multimodales Geschehen, bei dem viele Faktoren eine Rolle spielen. 

Was kann Schmerz beeinflussen?

Hier kann man über drei Ebenen den Input auf das Nervensystem betrachten:

Input- Ebene

  1. kognitiv

    • Persönlichkeit

    • Erfahrungen

    • Kultur

    • Aufmerksamkeit

    • Erwartungen

  2. sensorisch-diskriminierend

    • Haut

    • Organe

    • Augen

    • Gleichgewichtssinn

    • Muskel-Skelett-System

  3. affektiv

    • Immunsystem

    • Limbisches System

    • Stresssystem

Verarbeitungsebene

Alle drei Ebenen beeinflussen die Verarbeitung im Gehirn. Ein Koch wird eine Schnittwunde als weniger bedrohlich wahrnehmen als eine Geigenspielerin. Eine bereits gestresste junge Mutter, die kaum schläft, wird anders auf Rückenschmerzen reagieren als ein junger Berater - weil andere Erwartungen damit verbunden sind. In der sogenannten körpereigenen Neuromatrix werden also all diese eingehenden Informationen verarbeitet. Daraus wird dann ein Output generiert, der ebenfalls auf drei Ebenen zu betrachten ist:

Output-Ebene

  1. Schmerzwahrnehmung

    • kognitiv

    • sensorisch

    • affektiv

  2. Handlungen und Verhalten

    • willkürliche und unwillkürliche Muster

    • Kommunikation

    • Bewältigungsstrategien

  3. Stressregulation

    • Hormone

    • Immunsystem

Macht man sich also diese Komplexität bewusst, kann es entscheidend sein, sich in diesem Zusammenhang über die eigene Perspektive Gedanken zu machen. Denn gerade die erste Input-Ebene, die kognitiven Einflüsse, kann man oftmals schneller und einfacher beeinflussen als beispielsweise die sensorische Ebene (z.B. Organe, Muskeln, Sehen, Knochen) oder die affektive (z.B. Immunsystem oder Limbisches System). 

Ob wir wollen oder nicht, wir sind alles soziale Wesen. Für unser Zusammenleben ist es wichtig, einfühlsam zu sein, Anteil zu nehmen am Schicksal anderer. Um das zu können, ist es notwendig, Situationen aus der Perspektive anderer zu betrachten. Manche gehen sogar davon aus, dass uns dieser Mechanismus, aus den Erfahrungen und Überlieferungen anderer zu lernen, unser Überleben gesichert hat. 

Vereinfacht gesagt, geht es darum:

Die eigene Perspektive zu erweitern und zu relativieren durch die Perspektive anderer. 

Das ist auch ein Effekt, den man in Selbsthilfegruppen erlebt. Es geht dabei nicht darum, das eigene Schicksal kleinzumachen oder sich zu vergleichen. Viel mehr erlaubt es einem, die eigene Situation noch einmal neu zu betrachten und neue Informationen und Perspektiven in die Verarbeitung der Neuromatrix einfließen zu lassen. 

Erfahrungen aus der täglichen Arbeit

Von Kund:innen höre ich immer wieder: "Ich möchte kein Mitleid." Dann frage ich immer: "Warum?" 
Die meisten wollen nicht als schwach oder eingeschränkt wahrgenommen werden. Sie wollen nicht beurteilt werden. 

Was die meisten tatsächlich wollen, ist Mitgefühl. Es basiert darauf, dass wir uns auf Augenhöhe begegnen. Dann kann man mit Verständnis und Geduld auf den anderen eingehen, ohne Angst oder Abwehrmechanismen. Und das Gute daran: es lässt uns selbst geduldiger und verständnisvoller werden. 

Denn nur, wenn wir die eigene Situation erkennen und akzeptieren, können sich Lösungswege und Linderung ergeben. 

Statt Mitleid Mitgefühl und Wohlwollen 

Wenn du das nächste Mal von deinen Beschwerden erzählst, achte doch darauf, ob dir das Gegenüber Mitleid oder eher Mitgefühl entgegenbringt. 
Wenn dir das nächste Mal jemand von ihren Beschwerden erzählt, achte darauf, dass du mit Mitgefühl reagierst. 

Das Spannende daran ist nämlich, wenn wir unser eigenes Mitgefühl trainieren, sind wir umgekehrt auch besser in der Lage, das Wohlwollen von anderen anzunehmen. Und das wiederum wirkt sich positiv auf die Verarbeitung der Neuromatrix und damit auf die Schmerzwahrnehmung aus. 

Worauf du dabei achten kannst:

  • Verantwortung für die eigene Situation zu übernehmen

  • ein stabiles soziales Umfeld schaffen

  • sich selbst Trost spenden

  • üben, mit anderen mitzufühlen

  • Mitgefühl dankend annehmen

Statt also in Selbstmitleid zu verfallen, geht es darum, sich selbst Trost zu spenden, sich selbst wohlwollend zu behandeln und bei Bedarf auch das Mitgefühl und den Trost anderer anzunehmen. Das ist keine Schwäche. 

Im Gegenteil. 

Das ist eine Stärke. 

Die daraus entstehende Energie kannst du verwenden, um an deiner aktuellen Situation zu arbeiten und kannst damit anderen ein Vorbild sein. 

Was Du direkt umsetzen kannst:

  • Schreibe Dir einen Brief, in dem Du Dir Trost spendest.

  • Scheibe einen Brief und spende jemand anderem Trost.

  • Atme einmal tief durch und mach dir bewusst, was heute für ein fabelhafter Tag ist.

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