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Wie sich dein Gehirn verändert


Dein Gehirn verändert sich ständig. Egal was du im Alltag machst, ob du wie jetzt gerade einen Newsletter liest, deine Steuererklärung vorbereitest oder dich mit Weinkunde beschäftigst. Wenn du etwas Neues lernst, verändern sich die Verbindungen zwischen den Neuronen. Dein Gehirn baut sich um.

Generell ist dein Gehirn nicht nur flexibel und belastbar, sondern auch extremstrukturiert und organisiert. Es ist darauf ausgelegt, Neues zu lernen und bestehende Netzwerke weiter auszubauen.

Das kannst du besonders Nutzen im Umgang mit Schmerzen. Je mehr neue Reize dein Gehirn nämlich bekommt, um so besser kann es mit altbekanntem umgehen und neue Alternativen nutzen.

Dein Gehirn versucht in jeder Millisekunde vorherzusehen, was passieren könnte. Dabei geht es immer um deine Sicherheit und dein Überleben. Dein Gehirn schützt dich also vor Bedrohungen und Gefahr. Mit jeder erlebten Situation lernt dein Gehirn dazu und baut sich dementsprechend um. Dadurch verändern sich die Gehirnzellen und die Verbindungen untereinander. Daraus entstehen die neuronalen Netzwerke, die du dir wie eine Datenautobahn mit ganz vielen Kreuzungen und Verbindungen vorstellen kannst. Je mehr Kreuzungen und Abzweigungen, desto mehr Optionen hat das Gehirn, dich zu schützen.

Die Anpassung deines Gehirn ist besonders stark, wenn etwas Neues oder Unerwartetes passiert.

Warum ist das so?

Das Gehirn kalkuliert, was passieren wird. Das nennt man „predictive coding“ oder auch Vorhersage Codierung. Lernen wir Neues, kann das Gehirn keine klare Vorhersage treffen. Es tritt dann meist ein „prediction error“ also eine fehlerhafte Vorhersage auf. Darauf passt sich das Gehirn an, um nicht nochmal diesen Vorhersage-Fehler zu begehen.

Das geht nicht von heute auf morgen. Lernen geschieht in Phasen, egal ob du Salsa, Breakdance oder Bauchtanz lernen willst. Unterschiedliche Bereiche des Gehirns übernehmen hier die Aufgaben. Anfangs musst du dich bewusst auf die Schritte und Positionen konzentrieren. Je häufiger du diese wiederholst, um so automatischer laufen die Bewegungen ab und fließen ineinander über, ohne dass du die hohe Konzentration des Anfangs brauchst. Von der bewussten Ansteuerung geht es in halbbewusste Abläufe über.

Je mehr du übst, umso unbewusster und automatischer werden die Bewegungen und irgendwann reicht der Klang der Musik und du schwingst mit Leichtigkeit das Tanzbein. Das gelernte Programm "Tanzen" kann dann jederzeit abgerufen und abgespielt werden.

Beispiel:
Stell dir vor, du lernst eine neue Sportart. Sagen wir einfachheitshalber du willst Tanzen lernen. Am Anfang klappen die Schrittkombinationen nicht. Du drehst dich in die falsche Richtung, bist nicht im Takt und es wirkt eher holprig als fließend. Anfangs wirst du also viele Vorhersage-Fehler erleben, gegen den Takt deine Beine verknoten und dich fragen, wie das jemals was werden soll. Doch mit der Zeit und genügend Wiederholungen weiß dein Gehirn, wie es den Körper im Takt der Musik leichtfüßig durch den Raum bewegen soll. Dein Gehirn hat tanzen gelernt.

Für Interessierte - Neuro Insights: Wo passiert was im Gehirn?

primär-motorische Rinde: einzelne Schrittpositionen und Bewegungsabläufe müssen bewusst angesteuert und unter hoher Konzentration geübt werden

- je mehr Wiederholungen, um so fehlerfreier und schneller können die Bewegungen ausgeführt werden

- Bildung stärkerer Verbindungen zwischen primär- und prämotorischer Rinde im Frontallappen

- beide Bereiche bilden Motorcortex

Motorcortex steuert und kontrolliert Bewegungen

- durch Wiederholung findet Fehlererkennung und Adaptopn der Vorhersage statt: das Gehirn lernt

- es entwickelt sich ein unbewussterer Bewegungsablauf, halbautomatische Ausführung

- nach ein paar Wochen bis zu Monaten ist der Prozess abgeschlossen, das Programm „Tanzen“ wurde gelernt und ist in diesen Arealen abgespeichert

präfrontaler Cortex übernimmt und verantwortet situationsgerechte Ausführung

- automatisches Abspielen des Programms „Tanzen“

- abhängig von Talent und Interesse wird das Programm ok oder exzellent abgespielt, individuell wie das Gehirn nun mal ist

Wie dir Neurozentriertes Training dabei helfen kann

Dein Gehirn passt sich also flexibel daran an, welche Umgebung und welche Dinge du ihm anbietest. Diese Anpassung und Umstrukturierung bezeichnet man als neuronale Plastizität.

Diese faszinierende Eigenschaft des Gehirn bleibt uns bis zu unserem Tod erhalten. Du bist also nie zu alt, um etwas Neues zu lernen.

Und während du das tust, werden die Bereiche im Gehirn dichter an Verbindungen und breiten sich aus. Je komplexer dabei die Funktionen um so mehr Areale werden als Netzwerk miteinander verbunden. Dein Gehirn baut also neue und effektivere Verbindungen auf. Das macht es bevorzugt in kritischen Perioden – Kinder lernen zum Beispiel schneller Sprachen und gewisse Bewegungsabläufe, Erwachsenen fällt es oft schwerer und man braucht länger und mehr Anstrengung. Warum das so ist, kann man wissenschaftlich noch nicht klar sagen. Fakt ist aber, dass mit Geduld, Ausdauer und Interesse das Lernen, egal welcher Funktion und welchen Alters, machbar ist.

Da dein Gehirn also ständig im Aufbau und Umbaumodus ist, verbraucht es auch ca. 20 % deiner Energie, bei gerade einmal 2% der Körpermasse. Die neuronale Plastizität und die Strukturierung als Netzwerk ermöglicht es auch, Schädigungen im gewissen Umfang auszugleichen. Zum Beispiel können nach einem Schlaganfall Funktionen der geschädigten Bereiche von benachbarten Hirnarealen und Netzwerken übernommen werden. Das geht allerdings nur bis zu einem gewissen Grad.

Wann lernt das Gehirn besonders effektiv?


Wie du sicher schon selber bemerkt hast, lernt es sich am besten, wenn der Fortschritt belohnt wird. Ob das das anerkennende Nicken auf der Tanzfläche, die Teilnahme an einem Wettbewerb oder das gute Gefühl der Körperbeherrschung und der Leichtigkeit im Alltag ist. Sowohl Feedback von außen, von Partner:in, Kolleg:innen oder Mitstreiter:innen; als auch die verbesserte Körperwahrnehmung spielen hier eine entscheidende Rolle. Und natürlich die Ausschüttung von Dopamin. Dieser körpereigene Nervenbotenstoff dient im Gehirn der Kommunikation der Nervenzellen untereinander. Beim Verarbeiten neuer Informationen verursacht er dabei positive Gefühlserlebnisse, die als Belohnungseffekt dienen.

Dein Gehirn kann nicht unendlich wachsen. Man spricht hier von einer dynamischen Balance. Ein besonders dicht und gut ausgebauter Bereich sorgt dafür, dass ein anderer kleiner und weniger dicht ist. Nutzt du gewisse Verbindungen intensiv und häufig, werden diese optimiert und andere dafür schwächer. Aber keine Angst, selbst die schwächeren lösen sich nicht auf, sondern bleiben bestehen.

Einmal Gelerntes kannst du daher ein Leben lang abrufen. Auch wenn nach 20 Jahren Abstinenz das Rad also aus dem Schuppen geholt wird, sind die ersten paar Meter vielleicht noch etwas wackelig, aber dein Gehirn weiß sofort, was es zu tun hat und ruft das Programm "Radfahren" ab.

Was Du direkt umsetzen kannst:

  • google eine neue Sportart, vielleicht etwas, das du schon immer mal probieren wolltest

  • wähle eines der ersten 5 Suchergebnisse

  • schau dir das Video an und mache die Bewegungen nach

  • du musst nicht gut darin sein, du darfst dich neu entdecken

  • erforsche die Bewegungen, wie fühlen sie sich an, wenn du

    • Geschwindigkeit veränderst?

    • Bewegungsumfang veränderst?

    • Augen schließt?

    • Schrittposition anpasst?

    • Körperhaltung variierst, mal im liegen, sitzen, stehen?

  • erlaube dir Anfänger:in zu sein und genieße die neuen Impulse

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