Leidenschaft und Schmerzen: Du entscheidest Deinen Weg

Schmerzen verstehen

Leidenschaft und Schmerz liegen nah beieinander. 

Wusstest du, dass der Duden drei unterschiedliche Bedeutungen für Leidenschaft listet:

  1. sich in emotionalem, vom Verstand nur schwer zu steuerndem Verhalten äußernder Gemütszustand (aus dem heraus etwas erstrebt, begehrt, ein Ziel verfolgt wird)

  2. große Begeisterung, ausgeprägte [auf Genuss ausgerichtete] Neigung, Passion für etwas, was man sich immer wieder zu verschaffen, was man zu besitzen sucht, für eine bestimmte Tätigkeit, der man sich mit Hingabe widmet

  3. sich in starkem Gefühl, in heftigem, ungestümem Besitzverlangen äußernde Zuneigung zu einem Menschen

Wann warst du das letzte Mal in einem dieser Zustände?

Alle Empfindungen die wir erleben, Dinge die wir tun, Gedanken die wir denken, Gefühle die wir spüren - all das schafft Verbindungen im Gehirn. Vereinfacht gesagt: Je häufiger wir diese Verbindungen nutzen, also die Empfindung erleben, die Dinge tun, den Gedanken denken, die Gefühle spüren, um so stärker werden diese Verbindungen.

Man bezeichnet das als Neuroplastizität. Es ist die Fähigkeit des Gehirns, seinen Aufbau und seine Funktionen so zu verändern, dass es optimal auf neue äußerliche und innerliche Einflüsse und Anforderungen reagieren kann.

Genau das passiert auch bei andauernden Schmerzen. Wir wissen mittlerweile aus der Schmerzforschung, dass Schmerzen im Gehirn entstehen. Die Verbindungen im Gehirn verstärken sich, wenn wir Verletzungen oder Krankheit erleben und unser Gehirn immer wieder mit Schmerzen und damit verbundenen unangenehmen Empfindungen konfrontiert wird.

Ob und wie stark wir Schmerzen empfinden, hängt entsprechend auch damit zusammen, wie wir uns fühlen und verhalten, was wir tun und denken.

Anhaltende Schmerzen sind bedrohlicher als ein kurzer akuter Schmerz.
 

Warum? Weil sie unter anderem zuerst in unserem "emotionalen Zentrum", derAmygdala,Prozesse aktivieren. Dieses reagiert noch bevor die Bereiche im Gehirn aktiv werden können, die für emotionale Reaktionen verantwortlich sind. Die Amygdala ist ein Teil des limbischen Systems im Gehirn. Zusammen mit dem Hippocampus regelt diese Hirnregion emotionale Äußerungen und ist vor allem bei der Entstehung von Angstgefühlen beteiligt. Das kann man sich vorstellen wie die Funktion eines Verstärkers: Die Schmerzsignale werden lauter gestellt, und gleichzeitig die Bereiche die für die Kontrolle und Schmerzreduktion verantwortlich sind werden leiser. Wird dies immer wieder durchlebt, lernt das Gehirn diesen Schmerzreiz.

Bei andauerndem oder auch chronischem Schmerz spielt also das bisher erfahrene, erlebte, gedachte und getane eine entscheidende Rolle. Die Neurowissenschaft spricht auch von "erlernten Komponenten".

Das Gehirn berücksichtigt bei der Schmerzstärke also:

  1. was es in der Vergangenheit erfahren, erlebt, gedacht, getan und gefühlt hat

  2. was es glaubt, was in der Zukunft passieren wird

Hinzu kommt ein weiterer Schlüssel im Umgang mit Schmerzen: die Kompetitive Plastizität. Dieselben Bereiche im Gehirn können viele verschiedene Funktionenübernehmen.
Das wird bei Schmerzen besonders deutlich, denn Schmerz ist eine lebensnotwendige Empfindung. Die Areale im Gehirn die die Schmerzsignale verarbeiten überschneiden sich mit den Arealen die Bewegung, Emotionen, Sehen, Gedanken usw. steuern.

Dehnen sich schmerzverarbeitende Bereiche im Gehirn aus, reduziert sich unsere Fähigkeit Probleme zu lösen, Gefühle zu steuern, Konflikte auszutragen oder Beziehungen zu pflegen

Das bedeutet im Umkehrschluss:

  • Die Schmerzstärke nimmt ab, wenn das Gehirn davon ausgeht, dass etwas zur Schmerzlinderung unternommen wird

Wie kannst du dieses Wissen nutzen?

  • Nutze die starke Vernetzung der Bereiche im Gehirn zu deinem Vorteil

  • Wird einer dieser Bereiche aktiviert, breitet sich diese Aktivität auch in den benachbarten Gehirnarealen aus

Was hat deine Leidenschaft damit zu tun?

Hast du noch die Definitionen von Leidenschaft aus dem Duden im Hinterkopf?
Noch einmal verkürzt:

  • emotionaler Gemütszustand

  • große Begeisterung, ausgeprägte Neigung, Passion, der man sich mit Hingabe widmet

  • starkes Gefühl der Zuneigung zu einem Menschen

Nutze also deine Leidenschaft um entsprechende Areale im Gehirn für Bewegung, Emotionen, Sehen, Gedanken usw. mit neuen Informationen zu belegen.

Denn du kennst das bestimmt bereits: Du hast starke Schmerzen und auf einmal ruft ein Freund an und während des Telefonats hast du nicht einmal den Schmerz empfunden.
Oder du hast gerade etwas leckeres gekocht und genießt das Essen - keine Anzeichen von Schmerz.

Das bedeutet aber nicht, dass der Schmerz nur eingebildet ist. Im Gegenteil. Aber Dein Gehirn hat in diesem Moment des leidenschaftlichen Genießens des Gespräches oder des Essens einfach eine höhere Aktivierung dieser Bereiche. Damit wird die Priorität verschoben hin zud Leidenschaft, weg vom Schmerz.

Je häufiger dir das gelingt, um so schneller werden diese Bereiche mit der Leidenschaft belegt anstatt die Schmerzsignale zu verarbeiten. Das kannst du dir vorstellen wie einen kleinen Pfad. je häufiger dieser Pfad beschritten wird, um so breiter wird er. Je breiter er wird, um so schneller kannst du ihn durchlaufen. Genauso passiert das mit den Signalen in deinem Hirn.

Du entscheidest also, um du den Trampelpfad deiner Leidenschaft verwuchern lässt oder zu einer breiten Allee der Leidenschaft ausbaust. Und damit die Schmerzen immer mehr in die Nebengassen und an den Wegesrand schiebst.

Wie könnte das im Alltag aussehen?

  • Werde emotional beim Fotografieren von Naturwundern

  • Stürze dich mit Begeisterung in dein Handwerkshobby

  • Probiere genussvoll neue Rezepte aus

  • Schaue lachend alte Komödien

  • Entfache die Leidenschaft für eine Sportart

  • Verliebe dich Hals über Kopf

  • Liebe deine:n Partner:in

Was Du direkt umsetzen kannst:

  • Frage dich: Was ist deine Leidenschaft?
    Was macht dich wirklich glücklich und wofür möchtest du dich einsetzen und mehr Zeit und Energie aufbringen?

  • Schreibe dir auf, wann und vielleicht auch mit wem du das letzte Mal leidenschaftlich warst.

  • Überlege, wie du diese Leidenschaft Schritt für Schritt in denen Alltag einbinden kannst. Beginne mit 2 Min pro Woche. Das klingt nach wenig Zeit - aber glaube mir, die Kontinuität ist der Schlüssel.

  • Erlaube dir mit ganz kleinen Schritten zufrieden zu sein und klein anzufangen! Alleine die Tatsache, dass du darüber nachdenkst, bringt dich deiner Leidenschaft näher!

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