Rückenschmerzen im Alltag - Thema: Sex
Rückenschmerzen und Sex
Jede:r, der schon mal Rückenschmerzen hatte, kennt die Herausforderung: wie kann man Sex haben, wenn man unter Rückenschmerzen leidet?
Diese Herausforderung diskutiere ich mit fast allen Kund:innen ganz offen. Meiner Meinung nach ist es wichtig, dass wir den Körper, unsere Gesundheit und unser Wohlbefinden ganzheitlich betrachten. Genauso wie deine Atmung, deine Augen und dein Gleichgewicht eine wichtige Rolle hierbei spielen, ist auch Sex ein wichtiger Faktor für ein gesundes und ausgeglichenes Leben.
Nicht nur, weil wir evolutionär darauf programmiert sind, uns fortzupflanzen. Wir sind quasi auf der Welt, um uns zu vermehren und unsere Gene weiterzugeben. Ganz unabhängig davon spielt Sex, Lust und Begierde aber auch physisch und psychisch eine wichtige Rolle.
Ist der Mensch sexuell erregt, fokussiert sich der Körper auf diese Empfindung. Andere körperliche Empfindungen werden dann weniger wahrgenommen. Das kann besonders auch in der Schmerzwahrnehmung eine entscheidende Rolle spielen.
Warum ist das so?
1. Sex lenkt vom Schmerz ab.
2. Sex entspannt den Körper.
Der Grund dafür: Das Gehirn produziert beim Sex das körpereigene Hormon Endorphin, das schmerzstillend wirkt. Bereits die Erregung und der Orgasmus regt das gesamte Hormonsystem an wodurch der Körper zunächst anspannt und anschließend entspannt.
Ein zusätzlicher Entspannungseffekt kann durch den gegenseitigen Körperkontakt kommen. Das durch den Schmerz oft hochsensible Nervensystem bekommt durch Berührung, Druck, Reibung und Co. zusätzliche Informationen und kann damit die Bedrohungssituation neu bewerten. Gerade die Berührung und der damit ausgelöste sensorische Reiz ist nur beim Haut-auf-Haut-Kontakt in dieser Intensität auslösbar. Keine andere Berührung wird vom Nervensystem als so entspannend wahrgenommen. Durch die Berührung und die Erregung steigert sich zudem die Durchblutung, was einen weiteren positiven Effekt auf das Gewebe und vor allem auf das Nervensystem hat.
Und auch die Ausschüttung des Hormons Oxytocin spielt eine entscheidende Rolle. Die Kontraktion des Samenleiters bei Männern und der Gebärmutter bei Frauen führt zur erhöhten Ausschüttung des sogenannten Kuschelhormons. Wissenschaftlich wurde herausgefunden, dass dieses Hormon Angst reduziert und Vertrauen stärkt. Beides entscheidende Faktoren im Umgang mit Schmerzen.
Weitere Vorteile:
Das abwechselnde An- und Entspannen der Beckenbodenmuskulatur führt bei der Frau zum Orgasmus. Nur ein Muskel der maximal anspannen kann, kann auch maximal entspannen. Beim Mann führt die dauerhafte Anspannung zum Orgasmus und erst nach dem Orgasmus erfolgt die Entspannung. In beiden Fällen beeinflusst die Entspannung des Beckenbodens auch die Entspannung des unteren Rückens und des Zwerchfells. Diese Bereiche sind bei fast allen Personen mit Rückenschmerzen extrem verspannt und durch diese erhöhte Muskelspannung ist oft ein entscheidender Schutzreflex der in der Dauerhaftigkeit seines Reizes zu Schmerzen führen kann. Das aktiviert nach dem Sex den menschlichen Regenerations- und Entspannungsmodus, den Parasympathikus.
Es wird also aller höchste Zeit, dass Thema mit deiner Partnerin oder deinem Partner zu besprechen. Offene Kommunikation ist hierbei entscheidend: Meiner Meinung nach darf oder sollte man hier ganz egoistisch sein und kommunizieren, welche Position sich angenehm anfühlt, was man gerne probieren möchte, wo braucht man vielleicht ein Kissen zum Stützen oder den Halt des Gegenübers, um sich sicher zu fühlen.
Denn auch für das Gegenüber kann es schwierig sein, mit dieser Situation umzugehen. Man möchte niemanden weh tun, niemanden drängen, nicht überfordern. Je ehrlicher man hier also miteinander spricht und sich herantastet, was geht und was sich angenehm anfühlt, um so besser.
Und auch aus eigener Erfahrung: Sprich mit deinem Umfeld darüber. Es kann erleichternd sein zu erleben, dass man mit dieser Art der Herausforderung nicht allein ist. Dieses Tabu zu brechen und offen, aufgeklärt und respektvoll zu kommunizieren kann ein entscheidender Faktor im Umgang mit Schmerzen sein.
Was Du direkt umsetzen kannst:
Überlege dir, was du möchtest und was sich für dich angenehm und sicher anfühlt.
Sprich mit deinem Partner oder deiner Partnerin ganz offen darüber.
Probiere aus und teste, was geht und was du magst.